Post – Papier – Passé

Am Tag danach stürmte es im Blätterwald. Was zu erwarten war. Die „Washington Post“ in eigener Sache: „Grahams to sell The Post“. Die Süddeutsche: „Kauf ich“. Die FAZ: „Das ist ein richtiges Erdbeben“. Es bröckelt. Nicht nur an den Fassaden der mächtigen amerikanischen Zeitungsindustrie. Am Wochenende zuvor hatte es den traditionsreichen „Bosten Globe“ erwischt. Verkauft – vom Mutterkonzern „New York Times“. Jetzt also die Watergate-Legende „Post“. Und alle Welt orakelt: Was wird Mister Amazon Jeff Bezos wohl mit der alten Lady anstellen? 250 Millionen Dollar – für den Händlerkönig ein Taschengeld. Für die Print-Branche nicht nur in den Vereinigten Staaten – der Preis des Wandels. Schwer vorstellbar, dass die Zeitung mit der immer noch siebtgrößten Auflage des Landes in einigen Jahren noch gedruckt wird. Vielleicht als Luxus-Gadget für Hotel-Gäste oder Eycatcher in Firmen-Lobbies. Bezos goes online. Die „Washington Post“ geht jetzt mit. Und die eigenen Redakteure können nur spekulieren, wohin eigentlich.

Washington Post

Kunden der „Post“ dürfen sich sicher auf personalisierte Werbung und individuelle News-Feeds freuen. Da macht dem Online-Händler Amazon keiner was vor: Verbraucherwünsche nicht nur zu erfüllen – sondern zu wecken. Wie sich eine solche Dienstleistungsmentalität wohl mit der Haltung von Journalisten verträgt, die ihren Lesern auch immer wieder etwas zumuten müssen? Bob Woodward, einer der Säulen-Heiligen des investigativen US-Journalismus hat seinen Segen jedenfalls schon erteilt. Der Deal sei ein „gutes Ergebnis“ für sein altes Blatt, ein „mutiger Schritt im Interesse der Zeitung und ihres Überlebens“.

In Deutschland sah der Springer-Konzern die Zukunft nicht so rosig. Im Juli verkaufte er für 920 Millionen Euro seine Verleger-Vergangenheit: „Hamburger Abendblatt“ und „Hörzu“ – passé! Zu wenig Gewinn. Zu wenig Zukunft. Dem Käufer Funke lieh Springer sogar noch selbst Geld, damit der überhaupt kaufen konnte. So geht man mit Ramschware um. Qualitätsjournalismus gehört für Springer neuerdings offenbar dazu.

Papier ist das Problem

Was aber unterscheidet Springer von Amazon? Geld verdienen wollen beide. Das ist ihre oberste Maxime. Was Mister Amazon mit der „Post“ will, wird sich weisen. Sicher ist, dass der Print-Markt weltweit ein gutes Stück weiter in die Krise rutscht. Papier ist das Problem! Der Werkstoff wird immer mehr zum Relikt. Ob Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher, die Richtung heißt online! Digitales Lesen ist längst mehr als ein Trend. Wer das immer noch nicht wahrhaben will, ignoriert Wirtschaftsdaten, Breaking-News und den E-Reader des Sitznachbarn in der Bahn.

Und wer überlebt den Ausverkauf? Jeder, der seine Inhalte, seine Geschichten und Stories ins Digitale rettet. Journalisten, Autoren, Dichter: Lasst Euch nicht fressen von der Revolution! Nehmt den Wandel, wie er kommt! Und sucht sie, die Leser da draußen, die bereit sind, für gute Geschichten gutes Geld zu zahlen. Vielleicht etwas weniger als vorher. Vielleicht etwas unsteter als damals. Aber es gibt diese Leser. Finden wird sie!